Ein offizieller Brief vom Anwalt, eine unerwartete Abmahnung – für viele Gründer:innen ein Moment, der Panik auslöst. Die erste Reaktion ist oft, das Schlimmste anzunehmen und an den Ruin des eigenen Unternehmens zu denken. Doch die Realität sieht meist anders aus: Viele rechtliche Probleme sind bei ruhiger Betrachtung und mit der richtigen Strategie lösbar. Dieser Beitrag beleuchtet die häufigsten Rechtsrisiken, die vor allem im E-Commerce lauern, und zeigt, wie man sie entschärfen kann.
1. Die Marken-Falle: Warum ein Name 70.000 € kosten kann
Das Problem:
Ein kleines Startup wählt einen Namen, der bereits als Marke registriert ist. Kurze Zeit später folgt ein Brief mit einer Unterlassungsforderung und einer Vertragsstrafe von 70.000 €.
Die Lösung:
Zuerst: Nicht in Panik verfallen. In vielen Fällen haben Markeninhaber kein Interesse an einem langwierigen und teuren Prozess gegen ein junges Unternehmen, bei dem ohnehin nichts zu holen ist. Eine offene Kommunikation, die Bereitschaft zur Umbenennung und Löschung der Domain kann oft ausreichen, um die Situation ohne Strafzahlung zu bereinigen.
Das Wichtigste Learning:
Vor der Gründung und Namensgebung ist ein kurzer Blick in das offizielle Markenregister unerlässlich. Dieser einfache Schritt kann existenzbedrohende Forderungen von vornherein verhindern.
2. Der falsche Button: Ein Klick mit teuren Folgen
Das Problem:
In einem Onlineshop ist für Kund:innen nicht eindeutig ersichtlich, wann genau sie einen verbindlichen Kauf tätigen.
Die Lösung:
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass der finale Bestellbutton unmissverständlich formuliert sein muss. Formulierungen wie “Jetzt kostenpflichtig bestellen” oder “Kaufen” signalisieren dem Kunden klar, dass er nun einen Vertrag abschließt und zur Zahlung verpflichtet ist. Vage Begriffe wie “Weiter” oder “Abschließen” sind rechtlich unsicher.
Zusatz-Tipp:
Denken Sie an das 14-tägige Rücktrittsrecht für Konsument:innen im Online-Handel. Feiern Sie den Umsatz erst, wenn diese Frist verstrichen ist.
3. Das DSGVO-Gespenst: Wie Google Fonts zur Stolperfalle werden
Das Problem:
Die DSGVO löst bei vielen Angst vor ruinösen Strafen aus. Oft sind es kleine technische Details, die ein Risiko darstellen.
Die Lösung:
Das Risiko lässt sich minimieren durch:
- Eine saubere Einwilligung der Nutzer in die Datenverarbeitung.
- Die Zusammenarbeit mit seriösen, idealerweise europäischen Dienstleistern.
- Die Vermeidung der Speicherung sensibler Daten.
Praxisbeispiel Google Fonts:
Werden die beliebten Schriftarten direkt von den Google-Servern geladen, findet ein Datentransfer in die USA statt, der problematisch sein kann. Die sicherste Methode ist, die Schriftarten herunterzuladen und auf dem eigenen Server zu hosten.
4. Influencer-Marketing: Wer haftet für falsche Versprechen?
Das Problem:
Ein Influencer bewirbt ein Produkt, ohne die Kooperation als Werbung zu kennzeichnen (Schleichwerbung).
Die Lösung:
Als Shop-Betreiber haften Sie für die Aussagen der von Ihnen beauftragten Influencer. Daher ist es entscheidend, vertraglich festzulegen, dass jede Kooperation klar und unmissverständlich als “Werbung” oder “Anzeige” gekennzeichnet werden muss. Ein kleiner Banner im Video oder ein Hinweis am Anfang des Beitrags genügt meist, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
5. EU-Umsatzsteuer: Kein Grund zur Panik dank One-Stop-Shop
Das Problem:
Die Angst, sich bei Verkäufen ins EU-Ausland in 27 Ländern steuerlich registrieren und die Umsatzsteuer einzeln abführen zu müssen.
Die Lösung:
Seit 2021 vereinfacht das One-Stop-Shop (OSS)-Verfahren diesen Prozess radikal. Sie melden Ihr Unternehmen einmalig im Heimatland (z.B. in Österreich über FinanzOnline) an und können die gesamte in der EU anfallende Umsatzsteuer über dieses eine Portal abführen. Sie müssen zwar die Steuersätze der Zielländer kennen und anwenden, die bürokratische Abwicklung ist aber massiv erleichtert. Dennoch ist der regelmäßige Kontakt zu einem Steuerberater unerlässlich.
6. AGB aus dem Internet: Schlechter als gar keine AGBs?
Das Problem:
Schnell mit KI oder einer Vorlage erstellte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) enthalten oft Klauseln, die gegenüber Konsument:innen (B2C) ungültig sind.
Die Lösung:
Vorsicht ist geboten. Der berühmte “Gupfinger”-Fall des Europäischen Gerichtshofs hat gezeigt: Ist eine Klausel in B2C-AGBs sittenwidrig (z.B. eine pauschale, verschuldensunabhängige Stornogebühr), wird sie nicht nur ungültig – der Unternehmer kann dadurch sogar seine gesetzlichen Ansprüche auf Schadenersatz verlieren. Hätte der Unternehmer keine AGBs gehabt, hätte ihm das Gesetz geholfen.
Das Learning: Schlechte AGBs können mehr schaden als nutzen. Im Zweifel lieber auf Standardregelungen des Gesetzes vertrauen oder eine professionelle Erstellung in Auftrag geben.
7. Produkthaftung & Vertragskorsetts
Das Problem:
Die Sorge, beim Verkauf über Marktplätze wie Amazon für alles zu haften und sich mit riesigen Verträgen handlungsunfähig zu machen.
Die Lösung:
Produkthaftung: Sie haften nach dem Produkthaftungsgesetz vor allem dann, wenn durch Ihr Produkt ein Mensch zu Schaden kommt. Für Fehler der Plattform (z.B. Lieferverzögerungen durch Amazon) haften Sie nicht.
Verträge: Lange Verträge sind kein Qualitätsmerkmal. Ein klares Term Sheet mit den wichtigsten Eckpunkten (Bewertung, Anteile etc.) ist der beste Start. Ein guter Vertrag ist so schlank wie möglich und so detailliert wie nötig, ohne das Startup in ein Korsett zu zwängen.
Fazit
Rechtliche Herausforderungen gehören zum Unternehmeralltag. Der Schlüssel liegt nicht darin, nie Fehler zu machen, sondern darin, die häufigsten Risiken zu kennen, nicht in Panik zu verfallen und sich im Zweifel rechtzeitig professionellen Rat zu holen.
Quellenangabe:
Vortrag: Florian Berger, „10 rechtliche Themen, die du wahrscheinlich völlig überbewertest“, gehalten am 15.05.2025 bei “Gastvortrag bei E-Commerce Initiative Österreich”..
Zusammenfassung mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz (Gemini), final redaktionell bearbeitet durch das Redaktionsteam von der ECIÖ.

